Kulturfenster

Jeden Monat bieten wir Ihnen auf dieser Seite einen Einblick in die unterschiedlichsten Facetten aus dem Kulturbereich, z. B. Kunst, Musik, Literatur, Brauchtum sowie Ausflugstipps.

September 2023

Frankfurts vergessene Altstadt in Höchst

Viel wird über die rekonstruierte Altstadt auf dem Römerberg berichtet, und es gibt geradezu eine Lawine von Fotos über die neu errichtete Fachwerkstadt. Darüber wird vergessen, dass es im Stadtgebiet eine echte, eine originale Altstadt aus dem Mittelalter gibt: Die Altstadt in Höchst a. M.

Zwar war Höchst bis zur Eingemeindung 1928 ein selbständiges Landstädtchen, geprägt vom Erzbistum Mainz, aber seither gehört es zu Frankfurt.

Vom Zentrum der Großstadt aus ist man mit S1 oder S2 bereits in 10 Minuten da. Dann ist es nur eine kurze Strecke zu Fuß hinunter an den Main, zur echten Altstadt.

Unterwegs, Ecke Justinus- Hostatostraße, erhebt sich wuchtig der Turm der kath. Pfarrkirche St. Josef, die auf jeden Fall einen Besuch wert ist. Die neuromanische Kirche wurde 1907-09 gebaut, als durch die HOECHST AG immer mehr Arbeiter zuzogen und die traditionsreiche Justinuskirche zu klein wurde. St. Josef ist ein beeindruckendes Zeugnis der Baukunst vor dem 1. Weltkrieg, als im Historismus alle großen Stilepochen wiederholt wurden. So auch die Romanik, die als Neu – oder Neo-Romanik wieder erstand. Doch ausgemalt ist die ganze große Kirche im damals hochmodernen Jugendstil, der von Darmstadt ausstrahlte.  Besonders die bemalte Holzdecke ist eindrucksvoll und man kann sich an den vielen sorgfältig ausgeführten Details, Ornamenten und den satten Farben gar nicht sattsehen.  

Es geht weiter geradeaus in die Justinus-Kirchstraße, man überquert die Melchiorstraße, kurz vor der Altstadt befindet sich der beliebte Höchster Markt (Die, Frei und Sa geöffnet) .Durch das Gassengewirr ist man auch gleich auf dem stimmungsvollen Schloßplatz mit alten Bäumen, einem Ziehbrunnen und originalen Fachwerkhäusern.

Das Höchster Schloss mit seinem markanten Turm liegt rechts vom Schloßplatz.

Zuerst geht es in die Justinuskirche, eine der ältesten Kirchen Deutschlands, noch aus dem 9. Jahrhundert, aus ottonischer Zeit. Sie wurde im Lauf der Jahrhunderte oft umgebaut, ein hochgotischer Chor, welcher das Kirchenschiff überragt ist das neueste Bauteil. Aus der Gründungszeit stammen die einzigartigen Säulen mit korinthischen Kapitellen und kannelierten Kämpfern.

Viele andere Kunstwerke, darunter auch der Barockaltar sind beachtenswert. Besonders aber die große Schnitzfigur des Antonius Abbas, des Wüstenvaters. 

1441 übergaben die Benediktiner den neu zugezogenen Antonitern die Kirche. Diese ließen den spätgotischen Chor mit Baumeistern aus der Frankfurter Dombauschule des Madern Gerthener errichten. Die Antoniter waren ein Laienorden, der in Europa als Hospitalorden weit verbreitet war. Ihre berühmteste Niederlassung war im Elsaß bei Colmar, in Isenheim. Dort stand auch ursprünglich der weltberühmte einzigartige Isenheimer Altar des Meister Mathis, genannt Grünewald. Die Antoniter nahmen sich hauptsächlich um die Kranken an, die vom Mutterkorn ( giftiger Pilzbefall am Getreide ) schwer erkrankt waren. Lange kannte man die Zusammenhänge in dieser Krankheit nicht, man nannte sie „Antoniusfeuer“. Für die Schnitzfigur des Hl Antonius im Isenheimer Altar ( Nikolaus Hagenauer ) war die Höchster Figur des Antonius mit dem T-Kreuz ( 1485 ) das Vorbild.

Der Eingang wurde 1441 mit einem gotischen Kielbogen und Krabben neu gestaltet, rechts und links stehen die Hauptheiligen des Ordens: Paulus von Theben und Antonius, der Wüstenvater. ( 3. Jahrhundert ) Der Antoniterorden löste sich in der Reformationszeit auf und St. Justinus wurde Pfarrkirche. Bekannt ist die Kirche auch für ihre Konzert – Barockorgel und weit über Hessen hinaus berühmt ist der „Höchster Orgelsommer“.

Hoch oben, in einem kleinen Gärtchen über der alten Befestigung kann man einen Blick auf den Main, die Fähre und das gegenüberliegende Ufer mit den „Schwanheimer Dünen“ werfen. Die Fähre verkehrt an dieser Stelle seit 800 Jahren und ist immer wieder mit viel Subventionen, mit viel Bürgereinsatz vor der Stilllegung bewahrt worden.

Die alte Stadtbefestigung ist noch zu 70 % erhalten, Man geht über den romantischen Schloßplatz zum wehrhaft gebauten Maintor hinaus.

Am Mauerwerk sind die Hochwassermarken mehrerer Jahrhunderte eingekerbt. Nun folgt die „Batterie“, eine Zwingermauer aus dem 15. Jahrhundert, mit einem gut erhaltenen Dreipassfries und dem Wappen des Mainzer Erzbischofs Diether von Isenburg.

Allgegenwärtig ist auch das Mainzer Rad und erinnert an die ehemalige Mainzer Landstadt. Die südwestliche Festungsbegrenzung ist mit dem Ochsenturm gekennzeichnet. Das Höchster Schloss war ursprünglich eine Burganlage aus dem 12. Jahrh., die später von einer Zollburg überbaut wurde. 1584 wurde das heutige Renaissanceschloss erbaut, eine Nebenresidenz der Mainzer Kurfürsten. Im 30 – jährigen Krieg ausgeplündert und abgebrannt, bis sie 1908 von der Familie Brüning aufgekauft und teilweise Instand gesetzt wurde. Der Chemiker Adolf Brüning begründete die Farbwerke Höchst, die sich aus kleinsten Anfängen zu einem führenden Unternehmen der chemischen und pharmazeutischen Industrie entwickelte. Aber auch dies ist heute Geschichte, die HOECHST AG existiert nicht mehr. Im Portal des Restschlösschens steht eine Figur des S. Martin, des Schutzpatrons des Bistums Mainz und erinnert an vergangenen Glanz.

Den Höchster Schlossplatz kann man nicht wirklich beschreiben, man muss ihn erleben. Am besten wenn man einen Apfelwein mit Handkäs im Sommergarten des Bären ( 200 Jahre alte Gastwirtschaft ) genießt und einfach die Eindrücke auf sich wirken lässt. Man sitzt in einem Bild der deutschen Romantik, wie aus dem Bilderbuch, regelrecht im guten Sinn „aus der Zeit gefallen“.

Nach dem Krieg wurde fleißig abgerissen und neu gebaut und vieles wurde damals überbaut, übertüncht oder einfach sich selbst überlassen. Erst in den 70-er Jahren begann ein Umdenken und eine langsame Restaurierung der alten Häuser, das Freilegen des Fachwerks, die Pflege der uralten mit Kopfstein gepflasterten Straßen, der Aufstellung alter historisch passender Straßenlaternen, Blumenschmuck und historischen Schildern.

 Unmittelbar hinter dem Bolongaropalast kann man mit der Straßenbahnlinie 11 wieder gemütlich ins Zentrum Frankfurts zurückfahren.

Christina Kupczak

Quellen: kleine Kunstführer und Touristinfo Höchst